Wähle ein Atelier auf der Karte
Das Atelier als Ort innerer Emigration
Hannah Höch
An der Wildbahn 33, Berlin–Heiligensee
Hannah Höch (1889–1978) erwarb 1939, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, ein kleines Haus mit Garten in Heiligensee, im Nordwesten des Bezirks Berlin-Reinickendorf. Dort wohnte sie zunächst mit ihrem damaligen Mann Kurt Heinz Matthies. Nachdem sich ihre Wege drei Jahre später getrennt hatten, lebte die Künstlerin bis zu ihrem Tod 1978 alleine auf dem ungefähr 1000 qm großen Grundstück.
Als Hannah Höch im Zuge der nationalsozialistischen Kunstideologie als „Kulturbolschewistin“ diffamiert wurde, zog sie sich immer mehr zurück: „In Friedenau, wo ich jahrelang gewohnt hatte, war ich zu bekannt; ich fiel zu sehr auf, um während des Naziregimes in Sicherheit leben zu können. Ich wusste, dass ich beobachtet und von eifrigen oder bösartigen Nachbarn angezeigt wurde.“ Aus diesem Grund sah sie sich gezwungen, Berlin-Friedenau zu verlassen und kaufte das Haus in dem ruhigen Randbezirk, wo sie kaum jemand kannte. Das ehemalige Wärterhaus, das sich am Eingang eines im Ersten Weltkrieg genutzten Flugplatzes (Schulzendorf) befand, wurde für sie zum Ort einer inneren Emigration. Hannah Höch richtete sich dort auch ihr Atelier ein und arbeitete trotz Ausstellungsverbots weiter. Teilweise sprach sie wochenlang mit niemandem ein Wort und bekam nur wenig Besuch, da viele ihrer Freund*innen bereits emigriert waren.
Hannah Höchs Wohnraum und Atelier wurden, ähnlich wie bei Jeanne Mammen, während der Zeit des Nationalsozialismus zu ihrer Zufluchtsstätte. Auf dem Anwesen versteckte die Künstlerin nicht nur ihre Kunst und Werke von Freund*innen, sondern auch umfangreiche Korrespondenz – Material, das sie „an den Galgen gebracht hätte“, wie Höch selbst mutmaßte.
Zu ihrer großen, über die Jahrzehnte kontinuierlich wachsenden Sammlung gehörten Gegenstände verschiedenster Art. Sie füllten Schränke, Tische, Wände und Schubladen: Zeitschriften, Einkaufszettel, Schnittmusterentwürfe, Briefe, Schächtelchen und Porzellanfiguren. Darunter befanden sich sowohl biografische Objekte als auch kulturhistorische Fundstücke, von denen noch heute ungefähr 12.000 Stück erhalten sind. Mit diesen Erinnerungsstücken erschuf sie ganz im Sinne des Dadaismus ihre eigene „Lebenscollage“. In Findbüchern hielt sie in alphabetischer Reihenfolge alle Standorte genau fest und entwickelte eigene Verweissysteme, wodurch auch sehr unterschiedliche Gegenstände miteinander in Verbindung gebracht wurden. Sie unterschied nicht zwischen wertvollen und vermeintlich weniger wichtigen Objekten. Unter dem Buchstaben A ließen sich zum Beispiel die Standorte von der „Anleitung für Geräte“, „Autogramme und Verehrerbriefe“ und „Aussagen Höch“ finden und unter dem Buchstaben B das „Bundes-Präsidialamt“, „Brillenreste“ und „Bilderrähmchen“. Jeder noch so banal erscheinende Gegenstand hatte für sie eine besondere Geschichte, aus der sie Inspiration schöpfte.
Zu Hannah Höchs 80. Geburtstag finanzierte der Bezirk Berlin-Reinickendorf einen Anbau, in dem die Künstlerin in ihren letzten Lebensjahren mit Blick auf den Garten arbeitete. Als Gegenleistung vermachte sie der Stadt das Grundstück, das heute unter Denkmalschutz steht und weitestgehend in seiner ursprünglichen Form erhalten bleiben soll. Auf Anfrage können der Garten und das Atelier weiterhin besucht werden.
Luise Budde
Heiner Franzen
Uferhallen, Berlin–Wedding
Heiner Franzen (*1961) hat sein Atelier seit 2009 in den Weddinger Uferhallen. Aus diesem Raum heraus, den er als ein externes Gehirn beschreibt, entstehen seine konzeptuellen Arbeiten. Das Atelier ist für Franzen nicht nur Arbeitsraum, sondern zugleich auch ein öffentlicher Ort, in dem er Kurator*innen empfängt und seine Kunst präsentiert. Doch nun sind die Uferhallen und damit auch die Gemeinschaft der über 60 Künstler*innen, die dort arbeiten, von Verdrängung bedroht.
Carla Chan
Lobe Block, Berlin–Wedding
Als Carla Chan (*1989) nach Berlin zog, war sie begeistert von den räumlichen Möglichkeiten in der Stadt. Im Gegensatz zur engen Architektur in ihrer Heimat Hongkong, fand sie 2018 im Weddinger „Lobe Block“ ihr erstes eigenes Atelier mit genügend Platz, um ihre Ideen zu entfalten. Der Entwurf für das Terrassenhaus im brutalistischen Stil stammt von den Architekten Brandlhuber+ Emde, Burlon und Muck Petzet. Es bietet gemischte Nutzungsmöglichkeiten für Künstler*innen, Start-Ups und andere Akteur*innen der Kreativbranche.
Manfred Paul
Zuhause, Berlin–Prenzlauer Berg
Der Fotograf Manfred Paul (*1942) lebt seit 1968 in einer ehemaligen Ladenwohnung in Berlin-Prenzlauer Berg. Zunächst bewohnte er dort nur ein Zimmer und richtete sich eine kleine Dunkelkammer im Keller ein. Im Laufe der Jahre erweiterte der Fotograf die Wohnung, in der er heute immer noch gemeinsam mit seiner Frau lebt und arbeitet. Im Interview erinnert sich Manfred Paul an seine Ankunft im damaligen Ost-Berlin und an die dortige Kunstszene. Er berichtet von seinen Anforderungen an ein Atelier und erklärt, warum Repräsentation für ihn keine Rolle spielt.
Auf Augenhöhe mit dem Kaiser
Max Liebermann
Pariser Platz 7, Berlin–Mitte
„Scheußlich“ – heute noch prangt dieses Wort des entrüsteten Wilhelm II. auf einem der Entwürfe für das Atelier, das sich Max Liebermann (1847–1935) in seinem Palais neben dem Brandenburger Tor einrichten ließ. Hans Grisebach hatte dafür den Ausbau eines ca. 47m² großen Raums geplant, überspannt von einem Dach aus Eisen und Glas. In kühner Wölbung sollte es sich über dem Pariser Platz erheben und dem Atelier fast sechs Meter Raumhöhe schenken. Eine solch sachliche Konstruktion an der nobelsten Adresse Berlins, inmitten ehrwürdiger, sich an der Antike messender Architektur, empörte den Kaiser und trieb den Denkmalschutz auf die Barrikaden. Liebermann wiederum besorgte sich einen Anwalt. Zwei Jahre später fiel dann ein echt berlinisches Urteil: Auf eine weitere „Verunstaltung“ des Platzes „komme es nun auch nicht mehr an“. 1899 bezog der Maler sein Atelier. Mit dem vom Tiergarten und Unter den Linden weithin sichtbaren Glashaus triumphierte die Moderne – jene Moderne, die der Kaiser aus seinen reaktionär-geschmäcklerischen Kunstidealen und einem Nationalismus heraus, der ästhetisch Ungewolltes gern als französisch aburteilte, zu verhindern suchte.
Als Fritz Eschen den Maler etwa 30 Jahre später in seinem Atelier fotografierte, regte sich in Berlin kein Kaiser, aber auch sonst kaum noch jemand über Glasdächer auf. Ebenso war unterdessen Liebermanns impressionistische Malerei anerkannt, er selbst bereits seit Jahren Präsident der Akademie der Künste und damit eine Instanz des Kunstbetriebs. Dafür wirkt Eschens Porträt überraschend intim: Vom Künstler scheinbar unbemerkt schaut man ihm bei der Arbeit zu, sodass man meinen könnte, statt einer Inszenierung den „echten“ Liebermann zu sehen. Dabei blickt man in ein Ambiente, dem der unprätentiöse Charakter dieses Porträts entspricht. Denn das Atelier ist zwar großzügig und wirkt aufgrund der gehängten Gemälde (von Liebermann und Kolleg*innen wie Manet) durchaus wohnlich. Doch abgesehen von dem schmuckvollen Spiegel gibt es sich eher schlicht, in Teilen sogar ausgesprochen funktional. Weite und Helligkeit bestimmen die Atmosphäre des Raums, völlig verschieden zu den düsteren und überborden ausstaffierten Interieurs der seinerzeit gängigen Wohnkultur des Großbürgertums.
Ähnelte auch Liebermanns vorheriges Atelier in der Bismarckstraße noch dem eines Franz von Lenbach, Franz von Stuck oder Hans Makart, die sich auf der Bühne ihrer Ateliers den Schliff des Künstlerfürsten gaben, so stehen hinter dem Raum am Pariser Platz ganz andere Ideen. Es ist ein Innenraum zum Malen en plen air, unter freiem Himmel. Die Glasarchitektur erfüllt das Atelier mit Licht und Luft, deren flüchtigen Erscheinungsformen Liebermann seine Kunst widmete. Auf Eschens Foto ist gut sichtbar, wie die einfallenden Sonnenstrahlen auf der Leinwand zu malen scheinen. Repräsentativ ist Liebermanns Atelier also fraglos, aber nicht für Rang oder Status des Künstlers, sondern für seine ästhetische Haltung. So wird plausibel, dass dieser Raum, der die künstlerische Identität des Malers so eindrücklich reflektiert, auch zum Ort einer intensiven Selbstbespiegelung wurde. Ab 1902 schuf Liebermann hier mehr als 30 Selbstbildnisse.
Nils Philippi
Neue Ateliers für Berlin
Haus der Statistik, Berlin–Mitte
Seit 2008 steht der 45.000 m² große Gebäudekomplex am Alexanderplatz in Berlin-Mitte leer. Die Initiative „Haus der Statistik“ konnte den Verkauf an Investor*innen und den geplanten Abriss verhindern und sucht neue Lösungen im Sinne einer sozial gerechten, bezahlbaren Stadt. Bis Ende 2025 sollen im „Haus A“ kooperativ sieben Stockwerke für Kunst, Kultur, Bildung und Soziales entstehen. Martin Schwegmann (Atelierbeauftragter des Berufsverbands Bildender Künstler*innen Berlin) und Andrea Hofmann (Architektin von raumlaborberlin) betonen, wie drängend diese alternativen Orte sind, um der immer größer werdenden Ateliernot in Berlin zu begegnen.
Die Zauberbude
Jeanne Mammen
Kurfürstendamm 29, Berlin–Charlottenburg
Im Jahr 1920 zog Jeanne Mammen (1890–1976) gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Marie-Louise (1888–1956), genannt Mimi, nach Berlin-Charlottenburg. Ihre kleine Wohnung befand sich am Kurfürstendamm, der sich in den „Goldenen Zwanzigern“ von einer reinen Wohnstraße zum Vergnügungsboulevard des Neuen Berliner Westens entwickelte.
Den beiden Schwestern war die Stadt zu diesem Zeitpunkt noch relativ fremd. Sie waren zwar in Berlin geboren, hatten aber den Großteil ihres bisherigen Lebens mit ihrer Familie in Paris verbracht. Nach dem Kunststudium in Paris, Brüssel und Rom arbeiteten Mimi und Jeanne Mammen ab 1912 in einem Atelier in der französischen Metropole. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden sie, nunmehr als feindliche Ausländerinnen betrachtet, gezwungen, nach Berlin zurückzukehren. Da das gesamte Familienvermögen beschlagnahmt wurde, wohnten die jungen Frauen zunächst wieder mit ihren Eltern zusammen.
Mit Aufträgen für Illustrationen und Fotoretuschen konnten sich Mimi und Jeanne Mammen schließlich ihre eigene Wohnung am Kurfürstendamm 29 finanzieren. Im reichen Berlin-Charlottenburg war es üblich, Künstler*innenateliers beim Bau von neuen Häusern einzuplanen. So verfügte auch die 55 Quadratmeter große Wohnung der Schwestern neben dem Schlafzimmer über einen Atelierraum mit fünf Meter hohen Sprossenfenstern. Er diente zugleich als Wohnraum und Küche. Die Atelierwohnung befand sich im vierten Stock des Gartenhauses und war nur mit zwei Stühlen und zwei Staffeleien ausgestattet. „Der Wirt hat gedacht, Künstler brauchen nix. Die leben von Luft und Wasser“, erinnerte sich Jeanne Mammen rückblickend. Die Toilette lag auf halber Treppe zum Dachboden, und es gab kein Warmwasser.
In den 1920er Jahren konnte Jeanne Mammen von ihrer Kunst leben und nahm an einigen Ausstellungen teil. Doch 1933 endete ihr Erfolg schlagartig: „Mit Beginn der Hitlerzeit Verbot oder Gleichschaltung aller Zeitschriften, für die ich gearbeitet hatte“, schrieb die Künstlerin in einem späteren Lebenslauf. Ihre Schwester emigrierte 1936 mit ihrer Partnerin nach Teheran. Jeanne Mammen lebte von nun an alleine in der Wohnung. Ohne Aussicht auf Aufträge oder Ausstellungen arbeitete sie kontinuierlich weiter, gab ihren neusachlichen Stil auf und entwickelte einen an Picasso orientierten, expressiven Kubismus. Das „Wohnatelier“ wurde – ähnlich wie bei Hannah Höch – zum Schutzraum für sie selbst und für ihre Kunst. Sie umgab sich mit ihren Bildern, Skulpturen, Büchern, Fundstücken von ihren Reisen wie Muscheln und Steinen und einem stacheligen Kugelfisch. Einige Möbelstücke wurden von ihr bemalt oder selbst gebaut, etwa ein Tisch, den sie aus Bilderrahmen herstellte. Die Erinnerungsstücke in ihrer „Zauberbude“, wie sie ihre Wohnung selber nannte, dienten ihr als Inspirationsquelle und verliehen ihr gerade während der Kriegszeit ein Gefühl von Sicherheit.
Nach Jeanne Mammens Tod im Jahr 1976 gründete der engste Freund*innenkreis die Jeanne Mammen Gesellschaft, um das Erbe der Künstlerin zu bewahren. Auch die Atelierwohnung, in der sie mehr als 56 Jahre gelebt hatte, blieb so erhalten. Aus konservatorischen Gründen wurden die dort verbliebenen Kunstwerke 2008 durch Faksimiles ersetzt und der Nachlass in ein Depot überführt. Das rekonstruierte Atelier wird heute durch die Stiftung Stadtmuseum Berlin verwaltet und kann weiterhin besichtigt werden.
Luise Budde
Das Fotoatelier
Marta Astfalck-Vietz
Markgraf-Albrecht-Straße 10, Berlin–Halensee
Selbstbewusst und gelassen posiert Marta Astfalck-Vietz (1901–1994) in glänzendem Satin in ihrem Atelier. Hinter ihr bedeckt ein bemalter Stoff die Wand, links daneben hängen über einem rechteckigen Beistelltisch mit Lampe und Aschenbecher gerahmte Fotografien und Zeichnungen. Ihr Studio ist Arbeitsort und Bildinhalt zugleich.
1927 bezog Astfalck-Vietz die Dachgeschossräume in der Markgraf-Albrecht-Straße 10 im Bezirk Berlin-Wilmersdorf. Im belebten Berliner Westen der 1920er Jahre eröffneten viele Fotograf*innen ihre Ateliers. So gab es 1929 laut Branchenfernsprechbuch über 400 Fotostudios in der Stadt, von denen über 100 von Frauen geleitet wurden. Der Zuwachs an Fotograf*innen in der Hauptstadt wurde von der erhöhten Nachfrage nach Bildern für den Zeitschriftenmarkt und die Unterhaltungsindustrie angetrieben. Während der Berufseinstieg für Frauen mit einer Fotograf*innen-Ausbildung leichter zugänglich war als das Kunststudium, blieb die Gründung eines eigenen Ateliers jedoch meist das Privileg bürgerlicher Frauen. Suse Byk, Frieda Riess oder Yva etablierten rund um den Kurfürstendamm ihre Arbeitsräume und standen wie Astfalck-Vietz für eine Vielzahl weiblicher Ateliergründer- und leiterinnen.
Marta Astfalck-Vietz konnte mit familiärer Unterstützung einen kreativen Berufsweg einschlagen und machte sich nach ihrem Studium als Werbe- und Gebrauchsgrafikerin selbstständig. Das Atelier in der Markgraf-Albrecht-Straße finanzierte sie vor allem mit kunsthandwerklichen Aufträgen wie dem Gestalten von Seidentüchern. Denn „Leben konnte man als Fotograf nicht sehr doll“, bekundete sie 1991 in einem Interview.
In der geschützten Umgebung ihres Ateliers konnte die Künstlerin neben kommerziellen Aufträgen auch Experimente wagen. Drei Räume boten Platz für eine Dunkelkammer und viel Freiraum für Inszenierungen. Hier findet der Prozess der Bildentstehung statt und zugleich bestimmt der Raum Inhalt und Komposition. Astfalck-Vietz gestaltete mit unterschiedlichen Stoffen, Möbeln und Dekor immer wieder neue Hintergründe für (Selbst-) Porträts, Aktaufnahmen und szenische Darstellungen.
Ihr Atelier war auch sozialer Treffpunkt. Von langen und geselligen Abenden erzählt das Gästebuch, das mit Texten und Zeichnungen der ein- und ausgehenden Besucher*innen gefüllt ist. Als sie 1929 Hellmuth Astfalck heiratete, gab Astfalck-Vietz den Standort in der Markgraf-Albrecht-Straße auf, um gemeinsam mit ihrem Mann ein „Atelier für Photographie. Propaganda und Kunstgewerbe“ in der Rankestraße 5 zu führen. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 setzte sie ihre künstlerisch-experimentelle Fotografie nicht weiter fort. Das Gästebuch jedoch pflegte sie in den wechselnden Ateliers und Wohnungen bis ins Jahr 1982.
Lena Schott
Atelierräume zwischen Stadt und Land
Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff
Grainauer Straße 19, Berlin–Wilmersdorf
Die künstlerische Zusammenarbeit von Brigitte (1923–2011) und Martin Matschinsky-Denninghoff (1921–2020) begann 1955, drei Jahre nach ihrer ersten Begegnung am Landestheater in Darmstadt, wo Martin als Schauspieler arbeitete und Brigitte Bühnenbilder entwarf. Bis 1969 signierten sie ihre Skulpturen mit Brigitte Meier-Denninghoff, da Brigitte bereits vor ihrer Begegnung über ein eigenes künstlerisches Werk verfügte. Erst im Jahr 1970 begannen sie, ihre Werke mit dem gemeinsamen Namen zu signieren.
Für ihren ersten Auftrag einer Großskulptur im öffentlichen Raum, den sie 1963 durch einen Wettbewerb erhielten, nutzten sie eine Produktionshalle des Maschinenbau-Unternehmens Borsig in Berlin-Tegel. Das Künstler*innenduo lebte zu dieser Zeit in Paris, wo sie seit 1961 ein Atelierhaus als Wohn- und Produktionsort nutzten. Über die Firma Borsig kamen sie auch in Kontakt mit Ingenieur*innen, die sie bei der Umsetzung ihres Werks unterstützten. Das Ergebnis war die Großskulptur „Scientia“, gefertigt aus Chromnickelstahl, die sich noch immer vor dem Institut für Anorganische Chemie der Freien Universität (FU) in Berlin-Dahlem befindet.
1969 realisierten sie eine weitere Skulptur für die FU in Berlin, die Arbeit „Großer Würfel“, die heute vor dem Institut der Veterinärmedizin steht. In Berlin fühlten sich die beiden Künstler*innen „der Realität [ihres] Jahrhunderts näher als irgendwo anders“ und empfanden die Stadt als einen „gute[n] Ort für Bildhauer“ wie sie es in einer selbst verfassten Biografie 1993 formulierten. Dies mögen Gründe für ihren Entschluss gewesen sein, 1970 ihren Lebensmittelpunkt von Paris nach Berlin zu verlegen. 1971 bezogen Matschinsky-Denninghoff eine Werkstatt in der Pestalozzistraße in Berlin-Charlottenburg und richteten sich gleichzeitig Arbeitsräume in der Grainauer Straße ein – drei Stockwerke unter ihrer Privatwohnung im Hinterhaus gelegen. Die beiden Orte ermöglichten dem Künstler*innenpaar die Realisierung von Skulpturen in unterschiedlichen Formaten sowie die Arbeit an ihrem jeweils eigenen zeichnerischen Œuvre.
Ab den 1990er Jahren suchte das Künstler*innenpaar nach einem Ort, der ihnen die Konzentration auf ihre Arbeit ermöglichen und eine wohnliche Umgebung mit Garten bieten sollte. Da sie in Berlin kein passendes Objekt fanden, hielten sie auf dem Land Ausschau. 1993 wurden sie schließlich in der Altmark in Sachsen-Anhalt fündig: In Schönfeld erwarben sie zwei Vierseithöfe samt großzügiger Streuobstwiese, aus der sich in den folgenden Jahren ein Skulpturengarten entwickeln sollte. Das Gehöft wurde zu ihrem Sommerdomizil und einem beliebten Treffpunkt der Kunst- und Kulturszene Berlins und darüber hinaus.
Egal ob in der Stadt oder auf dem Land: Die beiden suchten stets nach Atelierräumen, in denen sie Arbeiten in unterschiedlichen Formaten kreieren konnten. Gleichzeitig nahmen die Orte Einfluss auf ihr künstlerisches Werk. Die Erfahrung der Weite und jahreszeitlichen Veränderung, die sie in Schönfeld erlebten, zeigte sich nun auch in ihren Skulpturen: Die zuvor meist geschlossenen, technisch wirkenden Röhrenformen öffneten sich hin zu einem organischen Geflecht, in dem sich die umgebende Landschaft mit ihren Lichteinfällen im Tagesverlauf widerspiegelt.
Pauline Behrmann
Der Joker von der Kleiststraße
Iwan Puni
Kleiststraße 43, Berlin–Schöneberg
Am 21. Oktober 1920 erreichten Iwan Puni (1892–1956) und seine Frau Xenia Boguslawskaja (1892–1973) Berlin. Einen Winter zuvor hatten sie sich über die zugefrorene Ostsee auf den Weg nach Paris gemacht, an der Spree wollten sie nur Zwischenstation machen. Doch Iwan und Xenia blieben drei Jahre. Sie wohnten in der Kleiststraße 43 zwischen Nollendorf- und Wittenbergplatz, wo damals das Gros der vielen Emigrant*innen lebte, arbeitete, einkaufte und feierte, die aus Russland, Polen, Ungarn und ganz Mittel- und Osteuropa nach Berlin kamen. Die Vossische Zeitung wusste im Januar 1923 von 300.000 Russ*innen in der deutschen Hauptstadt zu berichten. Ob der Zahl zu trauen ist, sei dahingestellt. Denn, dass in den Berliner Adressbüchern nie ein Puni auftaucht, dürfte ein Indiz auf das prekäre und recht wahrscheinlich auch illegale Dasein von zahlreichen Emigrant*innen sein, deren Anwesenheit in der Stadt wohl kaum statistisch erfasst war. Ganz sicher zählten Iwan und Xenia nicht zu den vom Autor der Vossischen sogenannten „Geschäftsrussen“, die durch Geldwetten reich geworden wären, sondern vielmehr zur großen Mehrheit jener Anderen, „die von der Öffentlichkeit nicht so beachtet werden“.
Dementsprechend erscheint uns der Raum, der in einer anonymen Fotografie als das Atelier Punis überliefert ist, auch eher wie ein Unterschlupf. Vermutlich direkt unter dem Dach gelegen, scheint er notdürftig hergerichtet zu sein, um ihn überhaupt bewohnbar zu machen. Hans Richter erinnert sich, dass von dem „mäßig großen Raum (…) durch einen Vorhang ungefähr zwei Meter abgetrennt wurden. Zufällig lüpfte ich einmal diese geheimnisvolle Umfriedung und stand zu meiner Überraschung vor einem riesigen Berg alten Weißbrots, ‚Weißbrot muss frisch sein‘, wurde mir mitgeteilt.“ Wenige, eher wahllos verteilte Möbelstücke – davon zwei Staffeleien – sowie mehrere Gemälde, die an der Wand lehnen und hängen, ergeben ein spärliches Durcheinander, in dem Leben und Arbeiten Platz finden mussten und ineinandergriffen: „Auf dem Fußboden, auf den Stühlen, auf dem Bett lagen Farbtuben“, berichtet ein anderer der zahlreichen Besucher*innen, denen Puni nicht selten im Schlafanzug öffnete. Sein Atelier war regelmäßiger Treffpunkt der Berliner Avantgarde und damit eine der vielen kleinen Drehscheiben von Ost und West, inmitten der einen großen, die Berlin war.
Puni scheint sich mit den räumlichen Bedingungen, in die er in Berlin geraten war, arrangiert zu haben. Entspannt in den Stuhl zurückgelehnt, die Beine übereinandergeschlagen – wie er da so sitzt, gibt er diesem kargen Ambiente etwas Selbstverständliches. Sein Körper fügt sich sosehr in die umgebende Unordnung, dass man den Maler für einen Moment suchen muss. Man sieht einen echten Bohèmien, der eins ist mit seinen bescheidenen Lebensverhältnissen. Zu romantisieren ist die Situation der vielen Emigrant*innen, die in den Zwanziger Jahren in Berlin die Freiheit von Kunst und Gesellschaft suchten, dennoch nicht. Nicht allen gelang es wie Puni, die materielle Not, das Improvisierte und Unwägbare des Exils kreativ zu wenden. Er malte hier, in diesem simplen Raum, einige seiner wichtigsten Werke. Darunter auch der „Synthetische Musiker“ (1921): Die Leinwand, die auf der Fotografie hinter dem Maler an der Wand steht, hatte Puni bereits im Gepäck, als er in Russland aufbrach. Fertiggestellt hat er das Bild dann in Berlin. Es kann als ein verdecktes Selbstporträt gelesen werden: Der Maler als Joker, der balanciert, um nicht abzustürzen, der jongliert, um alle Bälle in der Luft zu halten, und doch immer noch ein Ass im Ärmel hat.
Nils Philippi
Das gemalte Atelier
Max Beckmann
Eisenacher Str. 103, Berlin–Schöneberg
Im Vordergrund des Gemäldes Stilleben mit „Aussicht aus dem Atelier im Schnee“ (1909) von Max Beckmann (1884–1950) ist ein Waschtisch mit zwei locker drapierten Handtüchern zu sehen. Auf einem Stuhl am rechten Bildrand stehen eine Topfpflanze und ein blauer Krug. Im Hintergrund geht der Blick an einigen Glasgefäßen vorbei aus dem Fenster in den verschneiten Vorgarten. Detailreich stellt Beckmann sein zweites Berliner Atelier in diesem Stillleben dar.
Schon früh hatten die Arbeitsstätten und deren Umfeld Eingang in sein Werk gefunden. Nach dem Umzug von Paris nach Berlin im Herbst 1904, malte Beckmann in einem Atelier in der Eisenacherstraße 103 immer wieder die Umgebung in Schöneberg. Motive waren dabei neben dem „Blick aus dem Atelier, Eisenacherstraße 103“ (1905) auch der nahe gelegene „Alte Botanische Garten“ (1905).
Zur Zeit der Entstehung von „Stilleben mit Aussicht aus dem Atelier im Schnee“ wohnte Beckmann bereits seit zwei Jahren mit seiner Frau Minna Beckmann-Tube in einem Atelierhaus in der Ringstraße 8 in Hermsdorf bei Berlin. Sie hatte das Haus im Stil des Neuen Bauens selbst entworfen. Aufgrund des Ortswechsels beschäftigten Beckmann zunehmend landschaftliche Motive wie beispielweise „Der Hermsdorfer Wald am grauen Tag“ (1908) oder „Wasserturm bei Hermsdorf“ (1913).
Vollkommen ins Ländliche zogen sich die Beckmanns jedoch nie zurück. Obwohl sie bis 1915 in Hermsdorf wohnten, unterhielten sie ab 1910 zusätzlich eine Atelierwohnung am Nollendorfplatz 6. Sie diente ihnen vor allem als Winterquartier, da sich das Atelierhaus in Hermsdorf schlecht heizen ließ. Hier entstand vermutlich auch das Gemälde „Blick auf den Nollendorfplatz“ (1911).
Das Atelier als Ort des künstlerischen Schaffens erfüllte für Max Beckmann und auch für andere Künstler*innen verschiedene Funktionen. Es war Werkstatt, Wohnraum, Rückzugsort und Ausstellungsraum sowie ein Ort der Selbstinszenierung, insbesondere in Fotografien. Neben der Selbstdarstellung während des Malprozesses vor der (leeren) Leinwand wurden auch das Mobiliar, die Arbeitsmaterialien und der Blick aus dem Fenster zu einem beliebten Bildmotiv. Besonders die Perspektive vom Inneren des Ateliers nach draußen kann hierbei stellvertretend für den Dialog der Künstler*innen mit der Außenwelt gesehen werden.
Rosa Marie Wesle
Vom NS-Staatsatelier zum freien Kunstraum
Käuzchensteig 8, Berlin–Dahlem
Der venezianische Maler Emilio Vedova (1919–2006), seine Kleidung mit Farbe gesprenkelt, begrüßt 1965 die Berliner Künstlerin Hannah Höch (1889–1978) in seinem temporären Atelier in Berlin-Dahlem. Für 19 Monate hatte er dort am Käuzchensteig 8 dank eines Stipendiums der Ford Foundation die Möglichkeit, seine Eindrücke der Großstadt in künstlerischen Werken zu verarbeiten. Die privat aufgenommene Szene vermittelt eine Weltoffenheit und Freiheit der Kunst, wie sie noch 25 Jahre vorher, als dieser Ort entstand, undenkbar gewesen wäre.
Adolf Hitler ließ das Gebäude um 1940 durch den Architekten Hans Freese als „Staatsatelier“ für den Bildhauer Arno Breker errichten. Breker wurde durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zu den sogenannten „Gottbegnadeten“ gezählt. Dazu gehörten Künstler*innen, deren Arbeiten dem Kunstverständnis des NS-Regimes entsprachen, und die mit staatlicher Unterstützung öffentlich arbeiten durften. Während als „entartet“ geltende Künstler*innen wie Hannah Höch oder Jeanne Mammen sich zurückzogen und nur sehr eingeschränkt arbeiten konnten, erhielt Breker großzügige Atelierräume. Der Repräsentationsort hatte alles, was er für die Arbeit mit Skulpturen benötigte. Im langgestreckten Ziegelbau befanden sich drei zweigeschossige Atelierräume mit Kran, Hebebühne und einem Gleisanschluss zum Abtransport der Werke.
Nur ein Jahr nach seiner Fertigstellung wurde das Gebäude durch alliierte Bombardierungen beschädigt und war als Atelier nicht mehr nutzbar. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam im Mittelbau erst das Ausbildungszentrum der Berliner Steinmetzinnung unter und Anfang der Sechziger die Kulissen des Filmunternehmens ufa.
Mit dem Einzug Emilio Vedovas 1964 wurde dem Gebäude wieder künstlerisches und erstmals internationales Leben eingehaucht. Die luftige Höhe und Größe des für Brekers Monumentalskulpturen konzipierten Atelierraums animierte auch den Maler zu überlebensgroßen Arbeiten. Er färbte großformatige Leinwände und verwandelte sie in begehbare Installationen.
Inspiriert von mehreren Treffen mit Hannah Höch, die vor allem für ihre Collagen aus den 1920er Jahren bekannt ist, entwickelte Vedova in Berlin eine für ihn neue Technik der Materialkombination. Höch resümierte den Atelierbesuch in ihrem Kalender: „Vedova hat es völlig ausgefüllt. Sogar in fast 10 m Höhe hängt was an der Wand. V. Macht riesige, auf-ab-seitlich-oben-unten-klappbare bemalte, beklebte Gestelle, aus Brettern, Pappen und Scharnieren. Die Farbe wird rinnen gelassen.“ Eines seiner in diesem Zusammenhang entstandenen Hauptwerke, das „Absurde Berliner Tagebuch ´64“, schenkte er 2002 der Berlinischen Galerie. Es war 1964 für die Documenta III in Kassel entstanden und 1990 auf der Biennale in Venedig ausgestellt.
Anfang der 1970er Jahre wurde das Großatelier in kleinere Räume unterteilt und bot insgesamt acht Stipendiat*innen des Berliner Kultursenats und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) Platz. Heute betreuen die Bernhard-Heiliger-Stiftung und das Kunsthaus Dahlem diesen historischen Ort als Ausstellungshaus und zeigen dort Kunst der deutschen Nachkriegsmoderne.
Sophie Angelov
Das Atelier als Treffpunkt
Ausschweifende Feiern und wilde Kostümparties – seit jeher öffnen Künstler*innen auch dafür ihre Atelierstüren. In Fotografien des Malers, Grafikers und Fotografen Heinrich Zille (1858-1929) zeigen, wie er es vor mehr als 100 Jahren mit seinen angesehenen Künstlerfreunden zu sich ging. Bekannt ist Zille für seine „Milljöh“-Studien des ungeschönten Berlins. Er stellt den Menschen in den Mittelpunkt und bildet das wahre Leben in Mietskasernen, Hinterhöfen und Kneipen ab. Auch sein eigenes Umfeld in Berliner Kunstkreisen hält er fotografisch fest. Die Aufnahmen zeigen die Kunstschaffenden bei ihrer Arbeit, aber auch das zuweilen turbulente Geschehen in ihren Ateliers. Zilles Freunde trafen sich zum Aktzeichnen, Feiern oder Kegeln. Er selbst spricht von einer „Art Fachgeselligkeit. Alles, was ein bißchen was in der Sezession bedeutete, machte mit. Corinth und Wenck und Kalkreuth und Slevogt. Paul Cassirer fehlte auch nicht.“ Es wird klar: Zu Zilles Zeit war das Atelier ein männlich dominierter Ort, der vornehmlich Künstlern vorbehalten war.
Mit der Emanzipationsbewegung um die Jahrhundertwende wurden dann entscheidende Weichen für die Sichtbarkeit von Künstlerinnen gestellt. Vor allem in den Großstädten waren die emanzipatorischen Errungenschaften bis Ende der 1920er Jahre zu spüren. Immer mehr Frauen präsentierten selbstbewusst ihre Kunst und bezogen eigene Räume. Prominente Beispiele sind Jeanne Mammens „Zauberbude“ am Kurfürstendamm oder Hannah Höchs Atelier in Friedenau.
Ateliers wurden auch immer mehr zu einem Ort, der für Künstlerinnen und Künstler gleichermaßen als Treffpunkt fungierte. Gerade die weit verbreiteten Atelierwohnungen, die Wohn- und Arbeitsort zugleich waren, eigneten sich besonders gut. Zu den legendären Festen zählt sicherlich das Kostümfest, das die Schriftstellerin Lu Märten und ihr Mann, der Bildhauer Wilhelm Repsold, 1921 in ihrem gemeinsamen Atelier in Berlin-Steglitz ausrichteten. Zu den Gästen zählten der Karikaturist Karl Holtz sowie die Dadaisten Raoul Hausmann und Hannah Höch – eine gern gesehene Gästin, die viele Einladungen erhielt.
Eine Postkarte des Kunstkritikers und Publizisten Adolf Behne an die Künstlerin zu Silvester 1923 lässt erahnen, wie bunt es auf den zahlreichen Atelierfesten zuging:
„Liebe Hanna Höch
Silvester wird im Atelier des bekannten Kunstmalers OsKarli Fischer Charlottenburg Schul Str. 14, unter dem Dach, als Picknick etc. etc. gefeiert! 8 1/2 - 9 Uhr. Betriebsstoffe sind im eigenen Interesse mitzubringen.
Immer immer immer
Ihr Adolf Behne“
Paulina Weiß
Andreas Greiner
Malzfabrik, Berlin–Tempelhof
In der „Malzfabrik“ in Berlin-Tempelhof teilt sich Andreas Greiner (*1979) seit 2009 Räume wie auch Werkzeuge mit den befreundeten Künstlern Julius von Bismarck, Julian Charrière, Johannes Förster, Felix Kiessling und Raul Walch. Greiner spricht über den Unterschied zwischen Mythos und Realität von Ateliers und die Besonderheiten seiner Studiogemeinschaft.
Jorinde Voigt
Reinbeckhallen, Berlin–Schöneweide
In einer ehemaligen Industriehalle in Berlin-Oberschöneweide hat sich Jorinde Voigt (*1977) mit ihrer Leidenschaft für räumliches Gestalten ein großzügiges Atelier eingerichtet. Gemeinsam mit dem Architekten Daniel Verhülsdonk entwarf sie ihre Räume in den Reinbeckhallen und machte sie für sich zu einem Stück Heimat. In unmittelbarer Nachbarschaft bezogen auch die Künstler*innen Alicja Kwade, Christian Jankowski und Olafur Eliasson ihre Ateliers.
Alle Ateliers im Überblick
Zeitgenössische Künstler*innen und Akteur*innen der Berliner Atelierlandschaft zeigen, wo Kunst in Berlin entsteht und welche Möglichkeiten und Herausforderungen diese Orte bieten – sei es die eigene Wohnung, eine Ateliergemeinschaft oder ein repräsentativ gestaltetes Studio.
Aus ihrer Leidenschaft für räumliches Gestalten heraus hat Jorinde Voigt sich gemeinsam mit dem Architekten Daniel Verhülsdonk in einer ehemaligen Industriehalle in Berlin-Schöneweide ein weiträumiges Atelier eingerichtet. Es ist für die Künstlerin zu einem Stück Heimat geworden.
In der „Malzfabrik“ in Schöneberg teilt sich Andreas Greiner sowohl Raum als auch Werkzeuge mit anderen Künstler*innen. Er spricht darüber, wie sich der Mythos und die Realität eines Ateliers unterscheiden und wie wichtig der Zusammenhalt innerhalb seiner Studiogemeinschaft ist.
Heiner Franzen betrachtet sein Atelier in den Weddinger „Uferhallen“ als externes Gehirn, aus dem seine konzeptuellen Arbeiten entstehen. Doch nun sind die „Uferhallen“ und die Gemeinschaft der dort arbeitenden Künstler*innen von Verdrängung bedroht.
Carla Chan ist 2015 aus Hongkong nach Berlin gezogen und war begeistert von den sich bietenden Möglichkeiten. Im Gegensatz zur räumlichen Enge in ihrer Heimatstadt fand sie im Weddinger „Lobe Block“ ihr erstes eigenes Atelier mit großer Terrasse und genügend Platz, um ihre Ideen zu entfalten
Der Fotograf Manfred Paul lebt seit 1968 in einem Wohnatelier im Prenzlauer Berg. Er erinnert sich an sein Ankommen im damaligen Ost-Berlin, erzählt von seinen Anforderungen an ein Atelier und erklärt, warum Repräsentation für ihn keine Rolle spielt.
Im „Haus der Statistik“ am Alexanderplatz entstehen derzeit neue Räume für Künstler*innen. Martin Schwegmann (Atelierbeauftragter für Berlin und Leiter des Atelierbüros im kulturwerk des berufsverband bildender künstler*innen berlin) und Andrea Hofmann (Architektin, raumlaborberlin) betonen, wie dringend notwendig diese alternativen Orte sind, um der immer größer werdenden Ateliernot in Berlin zu begegnen.
Die Vielfalt historischer Berliner Ateliers und deren individuelle Bedeutung für Künstler*innen veranschaulichen Werke aus der Sammlung der Berlinischen Galerie. Es wird deutlich, dass der Produktionsort in das künstlerische Werk eingeschrieben ist und schon immer genauso vielfältig wie die Kunst selbst war.
Hannah Höchs Wohnraum und Atelier in Berlin-Heiligensee wurden während der Zeit des Nationalsozialismus für sie zum Ort einer inneren Emigration.
Jeanne Mammen bezog 1920 gemeinsam mit ihrer Schwester eine kleine Atelierwohnung in der belebten Gegend des Kurfürstendamms. Nach Kriegsbeginn wurde diese „Zauberbude“ zu ihrer Zufluchtsstätte und zum Schutzraum für ihre Kunst.
Innerhalb der letzten knapp neunzig Jahre wechselte der Atelierbau in Berlin-Dahlem mehrfach seine Funktion. Der als nationalsozialistisches Staatsatelier geplante Ort wurde später Ausbildungszentrum, Kulissenlager, internationales Gastatelier und ist uns heute als Ausstellungshaus erhalten.
Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff hatten nicht nur Werkstätten in Berlin und Paris sondern auch im ländlichen Raum in Sachsen-Anhalt, wo sie unter anderem ihre Großskulpturen aus Stahl anfertigten.
Das Fotostudio von Marta Astfalck-Vietz steht beispielhaft für eine Vielzahl von Ateliers, die in den 1920er Jahren von Frauen gegründet oder geleitet wurden.
Max Liebermann arbeitete in seinem Palais neben dem Brandenburger Tor in von Luft und Licht durchfluteten Dachgeschossräumen, die durch ihre Modernität den Kaiser provozierten.
Ausschweifende Feiern und wilde Kostümparties – seit jeher öffnen Künstler*innen auch dafür ihre Ateliertüren. Das Atelier war nicht nur Arbeitsort, sondern bot Künstler*innen auch Raum für Austausch und geselliges Beisammensein, was Heinrich Zille in seinen Fotografien einfing.
Die Werke Iwan Punis, der als Emigrant an die Spree kam, entstanden in einer spärlich hergerichteten Einzimmerwohnung in der Kleiststraße, wo sich der russische Maler ein Atelier improvisieren musste.
Max Beckmanns Atelierdarstellungen aus den 1900er Jahren erlauben Rückschlüsse auf das Leben und die frühen Schaffensjahre des Malers in Berlin.
Entdecke die Ateliers auf der Karte
About
„Mapping the Studio. Berliner Ateliers im Wandel“ ist ein Onlineprojekt der Volontär*innen (2022–2023) der Berlinischen Galerie.
Konzeption, Projektmanagement und Texte: Sophie Angelov, Pauline Behrmann, Meryem Berker, Luise Budde, Nils Philippi, Lena Schott, Paulina Weiß, Rosa Marie Wesle, Lina-Golly Wyrwa
Übersetzung: Kate Vanovitch
Videoproduktion: Studio Johannes Förster
Design und technische Umsetzung der Website: 3pc
© Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, 2023