Ferdinand Hodler und die Berliner Moderne

Online Audioguide

Öl auf Leinwand, 187 x 230 cm

Ferdinand Hodler, Heilige Stunde, 1911, © Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Winterthur; © SKKG, 2020 // SIK-ISEA, Zürich (Philipp Hitz)

Ferdinand Hodlers symbolistische Figurenbilder und Berglandschaften sind Ikonen der Moderne. Was heute kaum bekannt ist: Der Weg des Schweizer Malers (1853–1918) zum Ruhm führt unter anderem über Berlin. Die Ausstellung zeichnet Hodlers Erfolgsgeschichte an der Spree nach.

Der Online Audioguide bietet detaillierte Informationen zu ausgewählten Hauptwerken aus den verschiedenen Kapiteln der Ausstellung. Die 21 Audiobeiträge sind in deutscher und englischer Sprache verfügbar.

Raum 1: Vielversprechend.
Künstlerische Anfänge

Seinen ersten Auftritt in Berlin hat Ferdinand Hodler 1898 auf der Großen Berliner Kunstausstellung. Zu diesem Zeitpunkt ist der in Bern geborene Maler in der Schweiz bereits ein bekannter Künstler. 

Hodler geht zunächst bei dem Vedutenmaler Ferdinand Sommer (1822–1901) in die Lehre. Dieser hat sich in Thun im Berner Oberland auf Berglandschaften nach Vorlagen für Tourist*innen spezialisiert. 1871/72 zieht der junge Hodler weiter nach Genf, wo er bis zu seinem Tod lebt. Auf der Suche nach neuen Vorbildern studiert er im Musée Rath die romantische Alpenmalerei  der Genfer Schule. Barthélemy Menn (1815–1893), ein fortschrittlicher Landschaftsmaler und Professor an der Genfer Kunsthochschule, macht Hodler neben der Porträtkunst mit der modernen französischen Freilichtmalerei der Schule von Barbizon vertraut. Er vermittelt ihm erste Kontakte zu Auftraggeber*innen. Ab 1874 nimmt Hodler regelmäßig an Schweizer Wettbewerben für Malerei und Zeichnung teil und gewinnt über Jahre hinweg wichtige Preise. In der Schweizer Presse und Kunstkritik werden Hodlers Werke kontrovers diskutiert. Der Künstler erkennt früh den Nutzen dieser Medienpräsenz –ob positiv oder negativ –und befördert sie nach Kräften.

Audiobeiträge in Raum 1

 

Raum 2: Herausragend.
Im Umfeld der Berliner Secession

Schon früh setzt Hodler auf die europäischen Kunstmetropolen und Zusammenschlüsse der Avantgarde, um seine Karriere international auszubauen. Die Berliner Secession gründet sich 1898/99 und ist eine starke Gegenbewegung zum akademischen Ausstellungsbetrieb. Bereits mit ihrer zweiten Schau öffnet sich die Vereinigung der internationalen Kunst. So behauptet sich die Stadt an der Spree zunehmend neben Paris und Wien als ambitioniertes Zentrum der Moderne. Hodler wird 1900 Mitglied der Berliner Secession, 1911 erhält er die Ehrenmitgliedschaft. Über die Jahre präsentiert er regelmäßig seine Werke mit den Secessionist*innen, darunter Walter Leistikow (1865–1908) und Lovis Corinth (1858–1925).

Auch Berliner Galerien interessieren sich für Hodler. Die Kunsthandlung Fritz Gurlitt zeigt bereits im Jahr 1900 seine Werke. Paul Cassirer (1871–1926), zugleich Geschäftsführer der Secession, widmet dem Schweizer ab 1907 in seinem Kunstsalon wichtige Ausstellungen. Bald ist Hodler, wenn auch nicht unumstritten, ganz selbstverständlich Teil der Berliner Moderne. Ein Kritiker bringt es 1911 auf den Punkt: „Hodlers Bilder hat die unermüdliche Sezession bei jeder Gelegenheit vorgeführt, er ist nach allen Seiten bekannt als der beste Monumentalmaler der Gegenwart. […] denn Hodler gehört zu Deutschland wie Gottfried Keller.“

Audiobeiträge in Raum 2

 

Raum 3: Monumental.
Berlin entdeckt das Gesamtwerk

Porträts

Ferdinand Hodlers Porträts sind in Berlin vergleichsweise spät zu sehen. Frühe naturalistische Bildnisse stellt erstmals 1907 der Kunstsalon Paul Cassirer aus. Besprechungen der Schau heben hervor, dass gerade diese Werke genau wie die Landschaften Hodlers auch die heftigsten Gegner*innen vom „außergewöhnlichen Können dieses Mannes“ überzeugen können. Für den Genfer Maler stellen Porträts eine künstlerische Herausforderung und eine gute Einnahmequelle dar. Auch den engsten Familienkreis, Freund*innen und Bekannte hat er immer wieder dargestellt. Seine zahlreichen Selbstporträts nutzt Hodler, um unterschiedliche Stimmungslagen und Ausdrucksmöglichkeiten zu erforschen.

Für seine einfühlsamen Personendarstellungen entwickelt Hodler eine unverwechselbare Bildsprache. Dafür arbeitet er eng mit den Porträtierten zusammen. Zunächst studiert er charakteristische Haltungen und Eigenheiten. Bei der Umsetzung nutzt der Maler technische Hilfsmittel. Zum Beispiel stellt er einen mit einem Fadenraster bespannten Rahmen zwischen sich und das Modell, um Proportionen korrekt übertragen zu können. Hodlers Vorliebe für frontale Ansichten geht auf sein Interesse für Symmetrien zurück, das auch Figurenbilder und Landschaften bestimmt.

Audiobeiträge in Raum 3

 

Raum 4: Monumental.
Berlin entdeckt das Gesamtwerk

Figurenbilder

Mit dem monumentalen Figurenbild „Die Nacht“ (1889–1890) gewinnt Ferdinand Hodler auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1898 erste Aufmerksamkeit in der deutschen Hauptstadt. Das Gemälde hatte 1891 in Genf einen Skandal ausgelöst. Seitdem gehört „Die Nacht“ zu einer Gruppe repräsentativer Bilder, die der Künstler wiederholt zu wichtigen Ausstellungen in Europa schickt. Hodlers Werke werden bereits in seiner Zeit dem Symbolismus zugeordnet, dessen rätselhaft-träumerische Stimmungsbilder die Seele feiern. Das Berliner Publikum mit seiner preußisch-nüchternen Mentalität kann der neuen Strömung zunächst nur wenig abgewinnen und tut sich mit Hodlers Figurenbildern schwer. Uneingeschränkt positiv reagieren viele modern eingestellte Künstler*innen und Kritiker*innen. Eine Berliner Kunst- und Architekturzeitschrift schreibt 1905: „Die Werke Hodlers fallen so vollständig aus dem Kreise der übrigen Arbeiten heraus, daß man hier von einer neuen vollständigen Künstlerpersönlichkeit im monumentalen Sinne sprechen kann.“ 

Um 1910/11 setzt sich in Berlin der Expressionismus durch. Die Vertreter*innen der neuen Generation stellen das emotionale Erleben in den Mittelpunkt ihrer Kunst. Hodler wird ein moderner Klassiker und gilt als Wegbereiter dieser Strömung.

 

Landschaften

Ferdinand Hodlers innovative Darstellung der Alpen prägt unsere Sicht auf die Schweiz bis heute. Der Maler verzichtet auf vertikale Bildelemente, Bäume oder Felsen, die das Bildfeld seitlich begrenzen oder in es hineinführen. Auch die in der Alpenmalerei beliebten Staffagefiguren interessieren ihn nicht. Für ihn besitzt jede Landschaft bereits einen eigenen Charakter und drückt Gefühle aus. Hodler experimentiert stattdessen mit Standorten, Blickwinkeln und Ausschnitten. Wie in den Figurenbildern arbeitet er auch in seinen Landschaften mit Rhythmisierung und Symmetrien, die er als „Parallelismus“ bezeichnet, um die emotionale Wirkung zu verstärken. Bildanlagen in horizontalen Streifen betonen die Ausweitung der Landschaft über die Bildgrenzen hinaus. Ornamentale Kompositionen wie ein Oval, das er Darstellungen des Genfersees unterlegt, entsprechen seiner Idee einer großen Ordnung der Natur. 

Bei seinen ersten Auftritten in der Berliner Secession setzt Hodler zunächst vor allem auf die symbolistischen Figurenbilder. Ab 1904 sind in der Künstler*innenvereinigung und in den Galerien der Stadt aber auch zunehmend seine Landschaften zu sehen. In Sammler*innenkreisen erfreuen sich vor allem diese Werke großer Beliebtheit. In der wachsenden Metropole Berlin bedienen sie die Sehnsucht nach Weite, Luft und Licht. 

Audiobeiträge in Raum 4
 

Die Ausstellung ist eine Kooperation zwischen der Berlinischen Galerie und dem Kunstmuseum Bern. Sie steht unter der Schirmherrschaft des Schweizerischen Botschafters in der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Paul R. Seger. Sie findet im Rahmen der Berlin Art Week statt und wird gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds 2021, die Kulturstiftung der Länder und die Ernst von Siemens Kunststiftung.

Impressum


© Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, 2021.
Die Rechte an Text und Bild liegen bei den Autor*innen und den Coypright-Inhaber*innen. Alle Rechte vorbehalten.

Audiotexte und –produktion: Linon Medien KG
Design und technische Umsetzung: 3pc GmbH Neue Kommunikation

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