Den Architekt*innen in Ost-Berlin standen zur Realisierung ihrer Ideen nur Plattenbausysteme zur Verfügung. Da der verbreitete Bautyp WBS 70 schmucklos ausfällt, entwickelten Planer*innen Möglichkeiten für die serielle Herstellung von kleinteiligem Fassadendekor. Im Nikolaiviertel und am Platz der Akademie (heute Gendarmenmarkt) etwa entstanden aus vorgefertigten Bauteilen ganze Straßenzüge nach historischem Vorbild. Auch die Front des Friedrichstadt-Palastes erhielt ihre Gestaltung durch die Anbringung von Ornamenten und Glasflächen. Der Schriftzug auf dem Dach kam erst in den 1990er Jahren hinzu. Mit dem Tastmodell lassen sich einzelne Fassaden zusammensetzen oder neue Kombinationen finden.
Modell+Design, Technische Universität Berlin
Entwurf: Linus Werner
Beschriftungen der Legende von oben nach unten
- Wohnungsbauserie (WBS) 70
- Wohn- und Geschäftshaus Nikolaiviertel
- Wohn- und Geschäftshaus Gendarmenmarkt
- Friedrichstadt-Palast
Zum Ausstellungskapitel
Schöne alte Stadt
Wie in vielen anderen Ländern auch war seit den 1970er Jahren die „historische Stadt“ verstärkt Thema in der DDR. Wesentlicher Grund für den neuen Fokus auf bauliche Überlieferungen war eine Sehnsucht nach mehr sichtbarer Präsenz der Vergangenheit. Ebenso spielte ein anhaltender Wohnungsmangel eine wichtige Rolle. Ihm sollte nun erstmals auch mit Sanierungskonzepten für bisher vernachlässigte Altbauten begegnet werden.
Die Umsetzung dieses Vorhabens zeigte sich am deutlichsten in der Hauptstadt der DDR. Seit der Teilung lag hier Berlins historischer Siedlungskern. Auf diesen Vorteil gegenüber West-Berlin wollte die DDR anlässlich der für 1987 geplanten 750. Geburtstagsfeier der Stadt hinweisen. Wertvolle Reste der Altstadt wurden saniert, wiederaufgebaut und mit angepassten Neubauten ergänzt. Den gewünschten Bezug zur Geschichte vermittelten meist Fassadenkonstruktionen, deren Spiel mit Giebeln, Erkern und Reliefs einem überkommenen Bild von der europäischen Stadt folgte. Ziel dieser teils freien Form der Stadtreparatur war es, eine erkennbare Verbindung mit der Vergangenheit herzustellen. Sie sollte den Menschen Identität und Zugehörigkeit stiften – Bemühungen, die auch die weitere Umgestaltung Berlins nach der Wiedervereinigung prägten.