Das Erbe der Avantgarde in Ungarn
18.11.22 – 27.1.23
Eröffnung Do 17.11.22, 19 Uhr
Ort: Galerie Kunstwerkberlin, Kirchstraße 1, 10557 Berlin
Musik: Vincent Leonard Gromm
Eintritt frei
Öffnungszeiten: Mi – Sa 14 – 18 Uhr und nach Vereinbarung
Die Ausstellung verdeutlicht anhand von Arbeiten junger Künstler*innen, wie das Ideal der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts heute in der zeitgenössischen ungarischen Kunst fortlebt. „Das Erbe der Avantgarde in Ungarn“ zeigt Arbeiten von Künstler*innen, die in ihrer eigenen künstlerischen Praxis von den Prinzipien des ständigen Experimentierens und der steten Erneuerung ausgehen.
Avantgarde ist die ständige Suche nach neuen, noch nicht gegangenen Wegen, die Freude an der Entdeckung: sie sei „eine Lebensform“ (Tibor Papp).
Die Ausstellung geht diesem Erbe der Avantgarde nicht in stilistischer oder technischer Hinsicht nach, da Ungarns zeitgenössische Kunstszene trotz der erkennbaren Trends und Tendenzen ein ebenso komplexes Geflecht von weitverzweigten, abwechslungsreichen künstlerischen Verfahren und Haltungen ist.
Die Arbeiten von Lilla Benkő sind im unscharfen Grenzbereich zwischen der sichtbaren Wirklichkeit und einer magischen Phantasiewelt angesiedelt, in der die Figuren als spirituelle Symbole erscheinen. Nikolett Balázs betont im Zeitalter der allumfassenden Digitalisierung die materielle Beschaffenheit von Kunstwerken, wobei ihre Arbeiten an der Grenze zwischen Abstraktion und Figuralität balancieren. János Fodor gehört zu den treuesten Bewahrern avantgardistischer Ideale. Seine abwechslungsreichen Arbeiten sind vom ewigen Experimentieren in den Bereichen des Materialgebrauchs und der Formgebung geprägt. Die Werke von Adrián Kiss entstehen aus der Kreuzung des künstlerischen Ansatzes in dessen Stofflichkeit mit verschiedenen designerischen Arbeitsprozessen.
Künstler*innen: Nikolett Balázs, Lilla Benkő, János Fodor, Adrián Kiss
Kurator*innen: Zsuzska Petró, Mátyás Varga
Magyar Neo-Avantgarde in den 1960er/1970er Jahren
11.11.22 – 27.1.23
Eröffnung Do. 10.11.22, 19 Uhr
Ort: Collegium Hungaricum Berlin, Dorotheenstraße 12, 10117 Berlin
Performance: Katalin Ladik
Eintritt frei
Öffnungszeiten: Mo – Fr 13 – 18 Uhr
Die Ausstellung im Collegium Hungaricum Berlin zeigt Werke von Künstler*innen, die während ihrer Laufbahn mit Deutschland verbunden waren und es teilweise noch mmer sind. Die Gemälde, Grafiken, Skulpturen, Objekte, Fotos, Film- und Videoarbeiten zeigen eine bedeutende Periode der ungarischen Kunst des 20. Jahrhunderts.
Seit 1960 entdeckte die inoffizielle Kunstszene Ungarns nach und nach die avantgardistischen Bewegungen der klassischen Moderne für sich. Obwohl sie bemüht war die unterbrochene Tradition fortzusetzen, wollte sie zugleich an die aktuellen internationalen Tendenzen anknüpfen. Die Künstler*innen der „zweiten Öffentlichkeit” traten mit einem Programm auf, das die konventionellen Gattungsgrenzen aufhob. Ihre Arbeiten waren von Progressivität und Erneuerungsbestrebungen gekennzeichnet und durch formale, technische und theoretische Erkundungen der künstlerischen Praxis geprägt.
Zwischen 1968 und 1978, im sogenannten „großen Jahrzehnt der ungarischen Neo-Avantgarde” (Katalin Néray) spielten die progressiven Ausstellungen und Happenings der Iparterv-Gruppe (1968, 1969) sowie die illegalen Sommerausstellungen in der Atelier-Kapelle in Balatonboglár (1971–1973) eine besonders wichtige Rolle.
„Die Avantgarde [...] fühlt sich gleichzeitig in allen Kunstgattungen zu Hause”, meinte der wichtigste ungarische Kunsttheoretiker der Epoche, László Beke. Für den Autor und Typographen Tibor Papp, Mitbegründer der Pariser Avantgardezeitschrift „Magyar Műhely” (Ungarische Werkstatt), war sie „nicht nur eine Kunstrichtung, sondern eine Lebensform”.
Künstler*innen: Gábor Altorjay, Gábor Attalai, Imre Bak, János Baksa-Soós, Endre Bálint, Gábor Bódy, Attila Csáji, György Galántay, János Fajó, Ferenc Ficzek, Tibor Gáyor, Krisztián Frey, Tibor Hajas, István Haraszty, Tamás Hencze, György Jovánovics, Lajos Kassák, Imre Kocsis, Tamás Konok, László Kósza Sipos, Attila Kovács, Katalin Ladik, László Lakner, Dóra Maurer, László Méhes, István Nádler, Géza Perneczky, Sándor Pinczehelyi, Endre Tót, Katalin Vimmer
Kurator: László Sípos, Koordination: Zsuzska Petró
Leihgebende Institutionen: Artpool Művészetkutató Központ, acb Galéria, Cseh Tamás Archívum, Haas Galéria, Kassák Lajos Emlékmúzeum, Kisterem, Körmendi Galéria, Ludwig Múzeum – Kortárs Művészeti Múzeum Budapest, Nemzeti Filmintézet Filmarchívuma, Neon Galéria, Petőfi Irodalmi Múzeum, Vintage Galéria, Sammlung Böhm
Filmprogramm
Kinobox: Neue Musik in bewegten Bildern
11.11.22 – 27.1.23
Ort: Collegium Hungaricum Berlin, Dorotheenstraße 12, 10117 Berlin
Öffnungszeiten: Mo – Fr 13 – 18 Uhr
Die Ausstellung „Magyar Neo-Avantgarde“ wird durch ein vielfältiges Filmprogramm begleitet. In einem eigens dafür vorgesehenen Raum im CHB werden experimentelle Filme gezeigt, die in Zusammenarbeit mit Komponist*innen des 1970 in Budapest gegründeten „Studio für Neue Musik“ (Új Zenei Stúdió) entstanden.
In der Kinobox:
Arena (Regie: János Tóth, Musik: Péter Eötvös, 1970, 23 min)
Aus dem Tagebuch eines seltsamen Herrn (Regie: Ágnes Háy, Musik: Péter Eötvös, 1972, 14 min)
Bann (Regie: István Bácskai Lauró, Musik: Péter Eötvös, 1963, 21 min)
Aldrin (Regie: László Vidovszky, Kamera: Gábor Bódy, 1976, 6 min)
Visus (Regie: Péter Tímár, Musik: László Vidovszky, 1976, 18 min)
Round (Regie und Musik: Jeney Zoltán, 1975, 12 min)
Új Zenei Stúdió (Auszug aus der Kino-Wochenschau, 1977, 5 min)
Ähnlich wie das 1959 an der Filmhochschule in Budapest gegründete Béla-Balázs-Filmstudio, entstand auch das Studio für Neue Musik 1970 aus einem Studentenkreis heraus und löste sich mit der Zeit aus dem universitären Rahmen. Die jungen Komponisten des Studios, unter ihnen Péter Eötvös, György Kurtág, László Vidovszky und Zoltán Jeney, sowie der als Dirigent inzwischen weltbekannte Zoltán Kocsis, veranstalteten bis 1990 weit über tausend Konzerte. Es wurden aber nicht nur eigene Stücke gespielt: Das Publikum lernte durch ihre Veranstaltungen gleichzeitig die progressivsten Künstler*innen und Strömungen der internationalen zeitgenössischen Musikszene kennen.
Die Werke, die im Studio für Neue Musik entstanden, sehen Kunsthistoriker*innen als musikalische Gegenstücke zu anderen Manifestationen der ungarischen Neo-Avantgarde in der Literatur, der bildenden Kunst, den darstellenden Künsten und im Film – alle verbunden durch die Idee der Interdisziplinarität und der Intermedialität.
Die Öffnung des Béla-Balázs-Filmstudios für Künstler*innen anderer Kunstgattungen lud ab Anfang der 1970er Jahre auch die Komponist*innen des Studios für Neue Musik zum gemeinsamen Experimentieren ein. Aus der Zusammenarbeit der Künstler*innen beider Studios entstanden einzigartige, komplexe audiovisuelle Werke – perfekte Beispiele für den interdisziplinären und intermedialen Ansatz der ungarischen Neo-Avantgarde.
In Zusammenarbeit mit dem Filmarchiv des Ungarischen Filminstituts.
Ein internationaler Netzwerker der osteuropäischen Konzeptkunst
Hommage an den Kunsthistoriker László Beke (1944 – 2022)
Do 19.1.23, 18 Uhr
Ort: Collegium Hungaricum Berlin, Dorotheenstraße 12, 10117 Berlin
Eintritt frei
László Beke war einer der wichtigsten Kunsthistoriker der Nachkriegszeit in Ungarn. Er hat die Entwicklung der ungarischen Neo-Avantgarde aus unmittelbarer Nähe begleitet und mitgestaltet. Anknüpfend an die Ausstellung Magyar Neo-Avantgarde des Collegium Hungaricum Berlin stellen wir unter anderem sein Projekt Imagination/Idea vor: die 1971 entstandene Mappe mit DIN-A4-Blättern gilt als die erste Sammlung der Konzeptkunst in Ungarn. Sechszehn der ausgestellten Künstler*innen waren damals am Projekt beteiligt, 2018 wurde ihm eine filmische Dokumentation gewidmet.
Programm
18 Uhr Screening auf Ungarisch mit englischen Untertiteln
Coefficients: Reminiscences of the Participants and Organisers of the Unrealized Exhibition, “Imaginations” (2018, von Zsuzsa László von Zsuzsa László im Rahmen der Ausstellung von tranzit.hu-Municipal Gallery-Kiscell Museum Budapest, 1971 – Parallel Nonsynchronism, Kamera und Schnitt von Benedek Bognár, Zsuzsanna Simon)
19:30 Uhr Gespräch auf Englisch
An International Networker of East-European Conceptualism: Gespräch der Kuratorinnen Dóra Hegyi (tranzit.hu) und Zsuzsa László (Central European Research Institute for Art History, Budapest ) über László Beke
Hier finden Sie weitere Informationen
Ungarische Neo-Avantgarde im Film
Sa 28.1.23, 20 Uhr und So 29.1.23, 20 Uhr
Ort: Kino Arsenal, Potsdamer Str. 2, 10785 Berlin
Seit 1960 entdeckte die inoffizielle Kunstszene Ungarns nach und nach die avantgardistischen Bewegungen der klassischen Moderne für sich und knüpfte gleichzeitig an aktuelle internationale Tendenzen an. Filmemacher*innen strebten nach der Erneuerung der Filmsprache, das legendäre Balázs-Béla-Filmstudio bot dafür den nötigen Freiraum zum Experimentieren.
Sa, 28.1., 20 Uhr: Poesie der Filmsprache – Hommage á János Tóth
Capriccio, Zoltán Huszárik, 1969, Kamera und Schnitt: János Tóth, 18 Min.
Igézet (Der Bann), István Bácskai Lauró, 1963, Kamera: János Tóth, 21 Min.
Aréna, János Tóth, 1979, 23 Min.
„Poesie der Filmsprache“ (28.1.) ist dem Kameramann und Regisseur János Tóth, einem Meister der Bildgestaltung, gewidmet. In der Zusammenarbeit mit dem Regisseur Zoltán Huszárik entstand das neue Genre des Filmgedichts, so z.B. der Kurzfilm CAPRICCIO (1969). Zur reinsten Form des Filmgedichts gelangte Tóth mit seinem eigenen, aus dynamisch wechselnden Bildsequenzen konstruiertem Werk ARÉNA (1979). István Bácskai Laurós lyrischer Dokumentarfilm IGÉZET (Der Bann, 1963), ein filmisches Gesamtkunstwerk mit malerischen, musikalischen und literarischen Elementen, wird als formaler Wegbereiter verstanden.
So, 29.1., 20 Uhr: Einzelgänge. Pop oder Kunst
Egy különc úr naplójából (Aus dem Tagebuch eines seltsamen Herrn), Ágnes Háy, 1972, 14 Min.
Babfilm (Bohnenfilm), Ottó Foky, 1975, 12 Min.
A monológ (Der Monolog), György Kovásznai, 1963, 12 Min.
Kedd (Dienstag) Márk Novák. 1963 DCP Fassung 21 Min.
„Einzelgänge – Pop oder Kunst“ (29.1.) greifen Erzählweisen der Popkultur auf, und setzen diese in veränderter Form ein. Mit ihrem Zeichentrickfilm EGY KÜLÖNC ÚR NAPLÓJÁBÓL (Aus dem Tagebuch eines seltsamen Herrn, 1972) thematisiert Ágnes Háy die Uniformierung und Entfremdung. Ottó Foky bildet im Babfilm (Bohnenfilm, 1975) eine Gesellschaft aus Bohnen. Das außerordentliche Multitalent György Kovásznai lässt in seiner Animation A MONOLÓG (Der Monolog, 1963) die Geschichte des 20. Jahrhunderts Revue passieren. Márk Novák dekonstuiert mit KEDD (Dienstag; 1963) die Gattung der Burleske.