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Rückblick

Ruth Hildegard
Geyer-Raack

In der Dauerausstellung

Max Krajewsky, von Ruth Hildegard Geyer-Raack gestalteter Raum der Dame mit angrenzendem Schlafzimmer, Einrichtungshaus „Meisterräume“ Berlin, um 1936

Max Krajewsky, von Ruth Hildegard Geyer-Raack gestalteter Raum der Dame mit angrenzendem Schlafzimmer, Einrichtungshaus „Meisterräume“ Berlin, um 1936

© Rechtsnachfolger*innen Max Krajewsky, Repro: Anja E. Witte

Raumgestaltung der 1920er bis 1950er Jahre


Ruth Hildegard Geyer-Raack (1894–1975) war in der Weimarer Republik eine weit über Berlin hinaus bekannte Innenarchitektin, Wandmalerin und Designerin. Sie hatte sich auf hochwertige und anspruchsvolle Raumausstattungen spezialisiert. Ihre sachlich-eleganten Entwürfe brachten gegensätzliche moderne Einrichtungsstile wie Bauhaus und Art Déco in harmonischen Einklang. Die Berlinische Galerie präsentiert in ihrer Dauerausstellung neben Archivmaterialien erstmalig einen Originalstoff der „Vereinigten Werkstätten“, 12 ausgewählte Musterentwürfe für Stoffe und Tapeten sowie 15 Fotografien realisierter Raumgestaltungen aus dem eigenen Bestand.

Ausgestellte Werke


In ihren frühen Werken verbindet Ruth Hildegard Geyer-Raack traditionelle florale Motivik mit geometrischer Abstraktion. Ihre großflächigen Wandmalereien in privaten und öffentlichen Innenräumen, die fotografisch überliefert sind, waren bereits zum Zeitpunkt ihrer Entstehung außergewöhnlich. Die heiteren, von der Natur inspirierten Phantasiewelten trugen zu einer besonderen, warmen und modernen Wohnatmosphäre bei.

Dokumentarische Fotografien und die Ausstellungsbroschüre der Kölner „Internationalen Raumausstellung“ (IRA) 1931 stellen den Höhepunkt ihrer beruflichen Laufbahn dar: Neben renommierten innovativen Architekten diverser Stilrichtungen wie Bruno Paul, Adolf Loos, Le Corbusier und Marcel Breuer präsentierte sie dort als einzige Frau am Beispiel des Wohn- und Schlafraums der Dame auch eigene Gestaltungsvorschläge.

Ausgewählte farbige Musterentwürfe für Tapeten und Stoffe aus der Nachkriegszeit lassen erkennen, dass Geyer-Raack mit den Designvorstellungen der Zeit ging, ohne ihre persönliche, weiche und moderne Formensprache aufzugeben. In der Galerie Bremer, einem kulturell bedeutenden Treffpunkt West-Berlins, präsentierte sie eine in schwarz-weißen Aufnahmen dokumentierte Kollektion von Regalen, deren Merkmal in markanten Schrägen liegt. Für die rasche und preiswerte Serienproduktion von Stoffen und Tapeten entwarf sie vereinfachte Muster aus Kreisen, Dreiecken oder linearen Strukturen. Um eine kühle Strenge zu vermeiden, verwandte sie auch geschwungene dünne Linien und kombinierte diese mit weiterhin zurückhaltenden, freundlichen und warmen Farbtönen.

Biografie


Ruth Gertrud Hildegard Raack wurde am 16. Juni 1894 in Nordhausen am Harz geboren. Der Umzug ihrer Familie brachte sie 1913 nach Berlin. Hier studierte sie Malerei an der „Unterrichtsanstalt“ des Staatlichen Kunstgewerbemuseums. Die Leitung dieser Schule hatte seit 1907 der Architekt und Möbeldesigner Bruno Paul (1874–1968) inne, mit dem die Künstlerin später auch beruflich zusammen arbeitete. 1920/21 nahm sie an Kursen des Bauhauses in Weimar teil.

Zwei Jahre nach ihrer Heirat mit dem Regierungsrat Hugo Wilhelm Hermann Geyer (1884–1975) am 2. September 1922 eröffnete sie unter ihrem neuen Namen Geyer-Raack in Berlin ihr eigenes Atelier. 1925 wird sie Mitglied im Deutschen Werkbund und 1928/29 Mitarbeiterin der Deutschen Werkstätten Hellerau. Bis in die 1930er Jahre reiste sie zu Studienzwecken mehrfach nach Paris, der damaligen Hochburg des Art Déco-Stils. Dort lernte sie den Architekten und gebürtigen Ungarn André Sivé (Geburtsname: András Szivessy) kennen, dessen Möbelentwürfe sie in Ausstellungen mit ihren Wandmalereien ergänzte.

Eine weitreichende publizistische Präsenz ab 1928 in bekannten Fachzeitschriften wie „Innendekoration“, „Dekorative Kunst“ oder „Das Ideale Heim“ brachten Geyer-Raack zahlreiche Aufträge ein. Es entstanden Raumgestaltungen in Landhäusern, öffentlichen Gebäuden und Passagierschiffen. Des Weiteren entwarf sie Stoffe und Tapeten für Firmen wie u. a. „Deutsche Werkstätten Textilgesellschaft“ (DeWeTex), Tapetenfabrik „Gebr. Rasch“, „Zimmer & Rohde“. Als künstlerische Leiterin der „Internationalen Raumausstellung“ in Köln wurde sie überregional bekannt. Dort zeigte sie einen vielfältigen Querschnitt aktueller Wohnideen der internationalen architektonischen Avantgarde.

Mit einsetzender Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit schwand die Käuferschaft für eine anspruchsvolle Raumkunst. Geyer-Raacks Auftragslage verschlechterte sich. Nur wenige Monate nach Hitlers Einzug in die Reichskanzlei trat sie am 1. Mai 1933 in die NSDAP ein und war Mitglied in den nationalsozialistischen Organisationen NS-Frauenschaft, NS-Volkswohlfahrt und Reichskulturkammer. Trotz Einschränkungen konnte sie in der Folge etwa Gebäude der Luftwaffe ausmalen und Räume im Krakauer Wawel-Schloss für den nationalsozialistischen Juristen und Kriegsverbrecher Hans Frank (1900-1946) umgestalten. Am 28.9.1948 wurde Geyer-Raack entnazifiziert. Sie arbeitete fortan vor allem für die boomende Textil-, Tapeten- und Möbelindustrie. Bis zu ihrem Tod in Berlin am 19. März 1975 konnte sie jedoch an ihre Erfolge aus der Zeit um 1930 nicht mehr anschließen. Arbeiten der Künstlerin sind heute in renommierten Sammlungen vertreten, unter anderem im Bauhaus-Archiv Berlin, im Kunstgewerbemuseum Dresden, in der Neuen Sammlung für angewandte Kunst in München, im Tapetenmuseum Kassel oder im Art Institute of Chicago.

Ruth Hildegard Geyer-Raack, Musterentwurf für Stoff oder Tapete, um 1930

Onlinepräsenation Geyer-Raack

Digitalisierte Archivmaterialien, Musterentwürfe, Fotografien realisierter Raumgestaltungen, Informationen zur Biografie der Design-Pionierin und Interviews mit Expert*innen.

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