„Die Vergangenheit lassen wir wie einen Kadaver hinter uns. Die Zukunft überlassen wir den Wahrsagern. Wir ergreifen das Heute.“
Naum Gabo und Antoine Pevsner
Mit diesen Zeilen endet das Realistische Manifest, das der russische Künstler Naum Gabo (1890–1977) 1920 gemeinsam mit seinem Bruder Antoine Pevsner in Moskau veröffentlichte. Raum und Zeit seien die einzigen Kategorien, die unsere Realität formen, stellten die beiden in ihrer Streitschrift klar. Sie sollten darum auch die Kunst bestimmen. Farbe, Linie und Volumen lehnten die Brüder als Gestaltungsmittel ab, dienten sie doch nur einer nachahmenden Beschreibung der Welt. Für Gabo und Pevsner war dagegen die Kunst, egal wie abstrakt, nur dann „realistisch“, wenn sie nur ein echter Bestandteil des Lebens wäre. Sie forderten eine eigenständige Kunst, die mehr sein sollte: die Vision einer alles umfassenden neuen Gesellschaftsordnung.
Seine Forderungen setzte Gabo als Bildhauer auch selbst um. 1922 wurden seine revolutionären Werke auf der Ersten Allgemeinen Russischen Kunstausstellung in der Berliner Galerie van Diemen gezeigt. Für viele deutsche Künstler*innen war das ein Erlebnis, das ihnen die Augen für eine vollkommen neue Dimension von Kunst öffnete.
Naum Gabo und Antoine Pevsner
Realistisches Manifest
[Реалистический Манифест]
1920
Buchdruck
64 x 76,5 cm (Blattmaß)
Schenkung Nina und Graham Williams, Biddenden Kent/Großbritannien, 1988