1952, zwei Männer im Pariser Jardin du Luxembourg. Der Eine ist der Fotograf Herbert Tobias (1924–1982). Lässig sitzt er in seinem Stuhl, die Arme baumelnd, den Kopf in den Nacken gelegt. Der Andere gibt seine Identität nicht preis. Hinter einer Säule versteckt schiebt der Fremde seine Hand über Tobias Bein, der sich mit geschlossenen Augen der Berührung hingibt. Die Kamera, auf Kniehöhe und im Schatten der Säule, ist in dieser Konstellation eine ungesehene Beobachterin. Dabei hat Tobias die Szene sorgfältig inszeniert. Indem er mit Fernauslöser arbeitet, erreicht die Komposition ihre Intimität. So macht der Fotograf die Betrachter*innen zu scheinbar heimlichen Zeug*innen eines versteckten Liebesspiels.
Es ist eine Begegnung, wie sie in den 1950er Jahren vielerorts unter Strafe stand. In Deutschland waren Herbert Tobias und sein Partner Richard (Dick) 1951 wegen Verstoßes gegen § 175 angeklagt worden, was für den Amerikaner Dick die Ausweisung und für das Paar die Emigration nach Paris zur Folge hatte. In Frankreich war die Gesetzgebung liberaler. Wenngleich auch hier im repressiven Klima der Jahrhundertmitte schwule Geselligkeit weitgehend in den Untergrund verbannt war, fand homosexuelles Leben nicht nur in Privaträumen statt. Der Jardin du Luxembourg, noch heute ein Cruising Hotspot in Paris, war schon in den 1950er Jahren ein beliebter Treffpunkt für schwule Männer, auch um sexuelle Bekanntschaften zu machen. Von dem Spannungsverhältnis zwischen Öffentlichkeit und Geheimhaltung, das solche Begegnungen prägte, kann das Bild erzählen.
Tobias fotografisches Werk kann heute als Dokument einer schwulen Gegenöffentlichkeit gelesen werden. In zahlreichen Porträtfotografien begegnen uns nicht nur Freunde, Partner und Liebhaber des Fotografen – Menschen wie Claude oder Dick, die immer wieder vorkommen –, sondern auch Bekanntschaften von der Straße. Bildtitel wie „Der Junge im ‚Hotel Metro‘“ (1954) oder „Der Junge aus Ost-Berlin“ (1957) deuten die Flüchtigkeit dieser Begegnungen an, während die Nacktheit der abgebildeten Körper von intimen Verhältnissen erzählt.
Autor*in:
Antonia Wolff
Ehem. Wissenschaftliche Volontärin
Pronomen: sie/ihr
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