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Rainer Fetting

Selbst als Gustaf Gründgens, 1974

Mit groben, expressiven Pinselstrichen porträtiert sich Rainer Fetting (* 1949) in einem nahezu lebensgroßen Hüftbild. Der Titel verrät: der Künstler inszeniert sich in souveräner Pose als Gustaf Gründgens (1899–1963). Dieser umstrittene Schauspieler, Regisseur und Intendant wurde in der Zeit des Nationalsozialismus trotz seiner öffentlich bekannten Homosexualität auf deutschen Bühnen gefeiert. Im Bild selbst verweist allein das Monokel auf die historische Person – Frisur und Kleidung entsprechen ganz den 1970er Jahren. Für den theater- und filminteressierten Fetting ging eine große Faszination von dieser schillernden Figur aus, mit der er sich auch aufgrund seiner eigenen Homosexualität auseinandersetzte. In „Selbst als Gustaf Gründgens“ offenbart sich der freie Umgang mit inhaltlichen und ästhetischen Verweisen, der auch Fettings spätere Werke prägt. Selbstbildnisse, in denen der Künstler in andere Rollen schlüpft, bleiben dabei ein wiederkehrendes Thema.

Das Gemälde entstand im selben Jahr, in dem Fetting den Künstler Salomé (* 1954) kennenlernte, mit dem er 1975 zusammenzog. Beide engagierten sich neben ihrem Studium an der Hochschule der Künste in der Schwulen- und Lesbenbewegung, die sich in Berlin seit Anfang der 1970er Jahre Freiräume erkämpfte. Die Sehnsucht nach gesellschaftlicher Veränderung und öffentlicher Akzeptanz ihrer Homosexualität spiegelt sich auch in der Arbeit der beiden Künstler wider. Fettings Blatt „Figur an der Mauer“ (1987) beispielsweise thematisiert homosexuelle Erotik zwischen muskelbepacktem Körper und mit Make-up lasziv in Szene gesetztem Gesicht. Durch ihre künstlerische Auseinandersetzung mit Identität und Sexualität leisteten Salomé und Fetting einen wichtigen Beitrag zu den queeren Diskursen jener Zeit. Zusammen mit anderen Künstler*innen gründeten sie 1977 die Galerie am Moritzplatz. Sie wurde zur wichtigsten Plattform ihrer künstlerischen Positionen. Dabei zielten sie mit ihrer Malerei und Performancekunst darauf ab, aktuellen Themen der Subkultur zu größerer Sichtbarkeit zu verhelfen.

 

Autor*in:
Rebecca Kruppert
Wissenschaftliche Volontärin
Pronomen: sie/ihr

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