Nach Studienaufenthalten in München verbrachte Naum Gabo die Zeit während des 1. Weltkrieges im norwegischen Exil. Von Norwegen kehrte er nach Russland zurück, das sich nach der Revolution in einer gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung befand. Dort veröffentlichte er 1920 – zusammen mit seinem Bruder Antoine Pevsner – das „Realistische Manifest“, in dem eine radikal neue Auffassung von Bildhauerei formuliert wird. Da Gabos Kunstauffassung mit den Tendenzen zum Sozialistischen Realismus nicht vereinbar war, zog er 1922 nach Berlin, wo er sich an der Ersten Russischen Kunstausstellung beteiligte und auch Mitglied der „Novembergruppe“ wurde. 1935 flüchtete er vor dem Nazi-Regime nach London, später emigrierte er in die USA, wo er 1977 starb.
Nina Williams, die Tochter des Künstlers, hat 1987 Teile des Nachlasses von Gabo an die Berlinische Galerie übergeben. Neben Skulpturen, Zeichnungen und Aquarellen befinden sich im Gabo-Archiv Skizzen, Modelle zu Skulpturen, Architekturentwürfe, literarische Versuche sowie eines der letzten drei noch existierenden Exemplare des „Realistischen Manifests“. Hinzu kommen Zeichnungen und Dokumente zu Gabos Beitrag für den Wettbewerb zum „Palast der Sowjets“ 1931, seine in Russisch verfassten Tagebücher und eine dokumentarische Fotosammlung. In der 1989 veröffentlichen Publikation „Naum Gabo. Ein russischer Konstruktivist in Berlin“ wird ein Überblick zum Bestand vermittelt.
Der zweite große Teil des Gabo-Nachlasses befindet sich in der Tate Archive Collection, London; ein weiterer Teil in der Beinecke Library der Yale University, USA. Dem Tate Archive ist es mit Unterstützung durch die Getty Foundation gelungen, die Bestände zu digitalisieren und über ihre Website online zugänglich zu machen. Durch eine Digitalisierung der Bestände in der Berlinischen Galerie können die Teilnachlässe auf virtuellem Weg zusammengeführt und online nutzbar gemacht werden.