Vor dem Mauerbau:
„Situation Berlin“

Arno Fischer (1927 – 2011)

Fotografie von Arno Fischer, Silbergelatinepapier, 23,1 x 35,2 cm
© Erbengemeinschaft Arno Fischer

Die Schwarz-Weiß-Fotografie zeigt vier Menschen vor einer Brache im Berlin der Fünfziger Jahre. Der Zugang zum Gelände wird durch zwei sich überkreuzende Balken versperrt. Darauf hockt ein älterer Mann im Anzug, rechts neben ihm lehnt eine elegante junge Frau. Erhöht sitzen links und rechts zwei junge Männer auf einem Bretterzaun und blicken sich an.

Eigentlich wollte Arno Fischer (1927 – 2011) Bildhauer werden, doch dann entdeckte er seine Liebe zur Fotografie. 1953 schmiss er das Studium und begann, seine Heimatstadt Berlin mit der Kamera zu erkunden. Sieben Jahre lang fotografierte er scheinbar Beiläufiges und Alltägliches im Ost- und im Westteil – eine einzigartige, intensive Bestandsaufnahme der Nachkriegsgesellschaft in beiden politischen Systemen.

Diese Aufnahme entstand 1957 in Ost-Berlin. Vier Berliner*innen warten an einem Zaun vor einer Bombenlücke aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie langweilen sich oder flachsen herum, im Hintergrund die zerstörte, menschenleere Stadt. Erst der Titel dieser trostlosen Szene verrät, welches staatstragende Ereignis bevorsteht. Es ist der Besuch von Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, Chef der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, im Bruderstaat DDR.
1961 sollten Fischers Fotografien in einem Leipziger Verlag veröffentlicht werden. Die Zusammenstellung der Bilder und polemische Begleittexte hätten seine vielschichtige Arbeit auf anti-westliche Propaganda zugespitzt und verkürzt. Der Mauerbau verhinderte das Erscheinen des Buches, das „Situation Berlin“ heißen sollte.

aus der Serie: Situation Berlin 1953–1960
1958
Fotografie
Erworben aus dem Kulturfonds der DDR, 1991

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