Mit sozialkritischem Blick und Berliner Humor fangen die Grafiken von Heinrich Zille (1858 – 1929) das Milieu der „kleinen Leute“ um 1900 ein. Dass der berühmte Künstler auch ein leidenschaftlicher Fotograf war, wurde erst Jahrzehnte nach seinem Tod entdeckt. Anders als die Stadtfotograf*innen seiner Zeit interessierte sich Zille nicht für Berlins herausgeputzte Schauseite. Seine Aufnahmen zeigen den Alltag der Hinterhöfe und Amüsiermeilen. Auch die Erholung von der Großstadt hat er festgehalten.
Im Sommer 1901 fotografierte Zille am Kochsee. Auf diesem Bild sehen wir den Künstler selbst in gestreifter Badehose. Die anderen Badenden, die sich auf dem Steg versammelt haben, sind zufällige Statisten.
Zilles Aufnahmen des alltäglichen Lebens wirken ungemein spontan und lebendig. Viele seiner Motive nehmen die sogenannte Street Photography vorweg, die mit schnappschussartigen Straßenszenen in den 1930er Jahren einen ersten Höhepunkt fand. Zilles Fotografien blieben allerdings für lange Zeit im Verborgenen. Zu Lebzeiten veröffentlichte er kein einziges Bild.
Ohne Titel (Heinrich Zille im Kreis unbekannter männlicher Badender)
August 1901
Albumin, ungetont
8,3 x 10,9 cm
Schenkung der Berliner Bank AG, 1986
Heinrich Zille
(1858 Radeburg – 1929 Berlin)
Von 1877 bis 1907 arbeitete Heinrich Zille als Lithograph bei der Photographischen Gesellschaft in Berlin, einem Unternehmen für fotografische Reproduktion. Hier erlernte er die technischen Fertigkeiten eines Fotografen und benutzte höchstwahrscheinlich die Fotoapparate wie das Labor der Firma für seine eigenen Aufnahmen. Seit der Jahrhundertwende hatte er wachsenden Erfolg als Zeichner mit sozialkritischen Blättern aus dem Milieu der „kleinen Leute“ von Berlin. 1924 wurde Zille als ordentliches Mitglied in die Preußische Akademie der Künste berufen und erhielt den Titel eines Professors. Als Fotograf wurde Zille erst posthum 1967 durch eine Publikation bekannt.