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Status quo
in West-Berlin:
„Waffenruhe“

Michael Schmidt (1945 – 2014)

Fotografie von Michael Schmidt, Silbergelatinepapier, 90 x 68,5 cm
© Stiftung für Fotografie und Medienkunst mit Archiv Michael Schmidt

Durch eine fleckige Glasscheibe ist diese Schwarz-Weiß-Fotografie aufgenommen. Die Bildmitte nimmt längs ein schwarzer Streifen ein, vielleicht ein Farbrest oder ein abgerissener Aufkleber. Verschwommen im Hintergrund sind links zwei Telefonzellen und rechts ein weißer, beschrifteter Transporter vor einem Hochhaus zu erkennen.

Frei und ohne kommerziellen Auftrag arbeiteten einige junge Fotograf*innen in den 1970er Jahren mit einer radikal subjektiven Sicht. Die sogenannte Autorenfotografie war geboren, und Michael Schmidt (*1945) gehörte von Anfang an dazu. Mit seiner „Werkstatt für Photographie“ prägte er als Lehrer viele Fotograf*innen in Berlin und brachte den Stil der „New Topographics“ nach Deutschland – eine Richtung, die auf der Suche nach neuen Motiven die Stadtränder und scheinbar unspektakuläre Orte entdeckte.

Mit der Serie „Waffenruhe“ liefert Schmidt ein eindrückliches Bild über die Atmosphäre West-Berlins zu dieser Zeit. Der Titel ist bewusst gewählt. Die Waffen des Kalten Krieges schweigen, aber es herrscht auch kein Frieden. Hinter der Ruhe in der geteilten Stadt verbirgt sich ein angespanntes Warten, das Schmidts Aufnahmen grundiert. Die Grenzgebiete zwischen Natur und Architektur, verlassene Plätze, oder wie hier der verschwommen wirkende Blick durch eine beschmierte Scheibe, fesseln den Fotografen.

Zu den 42 Fotografien der Serie gehören auch Porträtaufnahmen von anonymisierten Jugendlichen. Sie sind auf der Suche nach ihrer Identität und befinden sich genau wie die Stadt in einem Stadium des Übergangs. So entsteht weit mehr als ein Stadtporträt. „Waffenruhe“ fängt das Lebensgefühl im Westteil der Mauerstadt ein.

aus der Serie: Waffenruhe
1985 – 87
Fotografie
Silbergelatinepapier
90 x 68,5 cm
Erworben aus Haushaltsmitteln der Berlinischen Galerie, 2000

Michael Schmidt
(1945 Berlin – 2014 Berlin)

Die ersten fotografischen Arbeiten Michael Schmidts entstanden 1965. Es folgten Buchveröffentlichungen über einzelne Bezirke und Aspekte des Lebens in Berlin. Mit dem Wedding-Buch von 1978 fand Schmidt endgültig Anschluss an die Autorenfotografie der 70er-Jahre. Von großer Bedeutung für die Durchsetzung der Fotografie als eigenständiges künstlerisches Medium in Berlin wurde die von Schmidt 1976 gegründete und bis 1982 geleitete Werkstatt für Photographie. Mit der 1984 bis 1987 entstandenen Arbeit „Waffenruhe“ erreichte Schmidt einen Höhepunkt in der Verwandlung der realen Fotografie zu einer autonomen künstlerischen Bildsprache.

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