Anders als London oder Paris wurde Berlin erst 1871 mit der Gründung des deutschen Reiches Hauptstadt. In den folgenden Jahren entwickelte sich Berlin in rasantem Tempo zu einer echten Metropole – und zu einem Zentrum der modernen Kunst.
Als größtes Industrie- und Ballungszentrum zählte die Stadt um 1900 täglich mehr Einwohner*innen. Neue Viertel entstanden, man plante Hoch- und U-Bahnen, Schulen und Theater. Wachstum und Wandel der Stadt waren damals für viele Fotograf*innen ein faszinierendes Motiv. Während die frühe Stadtfotografie das Medium zu rein dokumentarischen Zwecken nutzte, interpretierte Heinrich Zille den Alltag auf den Berliner Straßen mit einer ungewöhnlich modernen Bildsprache. Ihn interessierten als Fotograf und als Zeichner vor allem die sozialen Gegensätze, die sich immer weiter verschärften.
Die bildenden Künstler*innen reagierten ebenfalls ganz unterschiedlich auf die gewaltigen Veränderungen. Kaiser Wilhelm II., Adel und Großbürgertum förderten weiterhin eine Kunst, die auf einer fotografisch-realistischen Malweise basierte und ihre Aufgabe darin sah, Tradition, Kaiser und Reich zu verklären. Künstler*innen wie Anton von Werner, Hofmaler und Direktor der Königlichen Hochschule der bildenden Künste, prägten mit ihren idealisierenden Historien- und Gesellschaftsbildern sowie ihren Porträts den konservativen Kunstgeschmack der Zeit.
Impressionist*innen wie Max Liebermann und Lesser Ury lösten hingegen mit ihrem eher skizzenhaften, lockeren Farbauftrag und provozierend alltäglichen Themen Empörung aus. Ihre Motive waren (Stadt-)Landschaften, Freizeitvergnügungen, Porträts, aber auch das soziale Elend der Großstadt.
Um ein Gegengewicht zum akademischen Kunstbetrieb zu schaffen, gründeten einige fortschrittliche Künstler*innen 1898 die Berliner Secession, mit Liebermann als ihrem ersten Präsidenten. Zu ihren Ausstellungen luden die Secessionist*innen auch internationale Künstler*innen ein und zeigten die ganze Bandbreite moderner Stile: Naturalismus, Symbolismus, Jugendstil, Impressionismus und Pointillismus.