Eine abstrakte Malerei, die nur auf sich selbst verweist – das war nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit die Maxime in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und West-Berlin. Diese Kunstauffassung stellten junge Künstler*innen in den 1960er Jahren radikal in Frage.
Sie wollten Gegenstand und Figur in die Kunst zurückzuholen – ohne dabei in einen Stil zu verfallen, der an die unheilvolle Vergangenheit des Nationalsozialismus oder den Sozialistischen Realismus in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erinnerte. Sie entwickelten eine neue kritische, gegenständliche Malerei, die unter den Bezeichnungen Neue Figuration und Kritischer Realismus bekannt wurde. Ihre Vertreter*innen übten heftige Kritik an der Nachkriegsgesellschaft mit ihren verdrängten Traumata, sozialen Zwängen und verborgenen Ängsten. So erklärten Eugen Schönebeck und Georg Baselitz im „Pandämonischen Manifest“ das Hässliche, Obszöne und Blasphemische zu den Leitmotiven ihrer Malerei. Auch neue Ausstellungsformen wurden erprobt. Die Künstler*innengruppe Großgörschen 35 gründete Mitte der 1960er Jahre zum Beispiel die erste Selbsthilfegalerie. Sie hatte Modellcharakter für viele Künstler*innen, die ihre Kunst selbst vermarkten wollten.
Kunst und Leben wieder stärker miteinander zu verbinden war auch das Ziel von Künstler*innen, die von den Werken der Dadaist*innen fasziniert waren. Diese hatten schon in den 1920er Jahren Alltagsgegenstände und Zeitungsausschnitte in ihre Werke integriert. Inspiration bot außerdem die Pop-Art aus den USA und Großbritannien, die Elemente der Populärkultur und die Bildstrategien von Comics und Werbung aufgriff. Kritisch reflektierten auch einige Künstler*innen den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit oder die auf Profit ausgerichtete Kunstszene. Wolf Vostell und das amerikanische Künstlerpaar Edward und Nancy Kienholz, das ab 1973 jeweils einen Teil des Jahres in Berlin verbrachte, schufen wichtige Installationen und Environments zu diesen Themen.